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Engelsstimme mit Prestige-Orchester

Engelsstimme mit Prestige-Orchester

Valer Sabadus im Weihnachtskonzert des Dresdner Festspielorchesters

Am Ende des festlichen Weihnachtskonzerts in der Reihe Palastkonzerte 18-19 verteilt man schon die kiloschwere Broschüre für „Visionen“, die Dresdner Musikfestspiele vom 16. Mai bis zum 10. Juni 2019. Das große Raumvolumen des Konzertsaals im Kulturpalast widerspricht weihnachtlicher Vertrautheit eigentlich. Aber die Akustik lockt verführerisch und trägt auch bei Ausnahmestimmen wie der des Countertenors Valer Sabadus mit dem brillanten Dresdner Festspielorchester unter seinem Chefdirigenten Ivor Bolton in ehrlicher, nicht schönender Prägnanz.

von Roland H Dippel

Wenn Ivor Bolton bei „seinem“ Dresdner Festspielorchester von der spezifischen Software in den Köpfen seiner Musiker für Spieltechniken und Interpretationen schwärmt, ist das streng genommen nur ein Teil der Wahrheit. Denn er müsste angesichts der möglichen und in Konzerten realisierten Besetzungen im Plural, also von Festspielorchestern, sprechen. Das gilt genauso für die Interpretationen. Die Musiker springen, fast vermessen scheint die Erwähnung der an diesem Abend stellenweise um eine Nuance zu naturtrüben Hörner, von einer perfekten und persönlichkeitsstarken Deutung in die andere. Anders als oft bei Auftritten begehrter Stars bekennt sich das Orchester bei diesem großflächigen Gang durch das 18. Jahrhundert zu weitaus größerem Variantenreichtum als der deutsch-rumänische Countertenor Valer Sabadus, der nicht weniger als acht umfangreiche Arien mitbringt.

Händels Wassermusik klingt leichter als pompös, Vivaldi kompakt und am größten ist die Überraschung bei Johann Sebastians Bachs Konzert für Oboe, Violine, Streicher und Basso continuo c-moll, als das BWV 1060 in einer spekulativen (Rück-)Bearbeitung des Doppelkonzerts für zwei Cembali auf dem Programm steht. Ivor Bolton, der selbst das Cembalo vor sich hat, motiviert hier die Musiker zu dichter Tongebung von einer Getragenheit und dabei Nachgiebigkeit, die eher an Fontainebleau als Köthen und Weimar denken lässt. Dieser unerwartete atmosphärische Schwenk und seine darauf aufbauenden Kontraste wirken an keiner Stelle kühl. Eher ist das Dresdner Festspielorchester wie ein Spiegel, der alle Informationen aus den Partituren auffängt, dann aber das Wirkungsspektrum unvorhersehbar , ja unkalkulierbar abwandelt, dabei immer maßstabsgetreu und in den richtig skalierten Proportionen reflektierend. Man modelliert immer klare Rändern um ebenso klare Klangvorstellungen, aber ganz ohne effekthaschendes Blendwerk.

Das hat zur Folge, dass es in nur wenigen Momenten zu einem reaktionsstarken Dialog zwischen dem 32jährigen Solisten und den Musikern kommt. Valer Sabadus beginnt mit „Mi lusinga“, einem Solo des in die Liebesfänge von Händels zaubermächtiger „Alcina“ geratenden Kreuzritters Ruggiero. Sehr konzertant, sehr gefasst und mehr am Ton als an der Diktion ist das. Sabadus setzt mit Leichtigkeit und gänzlich anti-heroischer Entspannung an. Heldentum als Pose steht ihm auch in Sestos „Svegliatevi“ aus „Giulio Cesare in Egitto“ fern. Er drückt diese Rachegefühle nicht aus sich heraus, sondern lässt sie in fein gestalteten Phrasierungen reifen. In der Höhe kommen eher dunklere Bronzetöne als Farbe erst recht spät dazu, Sabadus steigert so Vorsicht zum wirkungsvollem Innehalten vor der Erfüllung. Das zeugt mehr von einem eigenwilligen Charakter, der sich mit gewinnender Mäßigung einer extrovertierten Selbstoffenbarung widersetzt als von der Pose verinnerlichter Schwärmerei.

Später, bei Antonio Vivaldi, Christoph Willibald Gluck und Antonio Sacchini, wo er die Farbspiele in der extremen Höhe und Tiefe diversifiziert, offenbaren sich zwei wesentliche Charakteristika dieser Stimme. Auch bei den nach strahlenden Tönen verlangenden Stellen holt Sabadus nicht zur großen Artisten-Pose aus. Dafür zeigt er in jeder Arie eine jeweils andere, sehr differenzierte Nähe zum thematisierten Affekt. Am allerschönsten wird es bei den ruhigen kantablen Stellen und gehaltenen Tönen in den mittleren Dynamik-Bereichen. Musterhaft dafür „Scherza infida“ des „Ariodante“: Es ist konkurrenzlos, wie diese hohe Männerstimme in einem einzigen Ton ein derart schillerndes Farbgemisch mit stufenlosen Übergängen zum betörend wechselnden Leuchten bringen kann. Das hört man hier deshalb so deutlich, weil die Soli und Gruppen des Dresdner Festspielorchesters nicht die verschmelzende Synthese mit Sabadus‘ Stimme suchen, sondern nur sich selbst oder ihrem Dirigenten verpflichtet sind: Kollegialität und realisierte Vielfalt ohne Wettbewerb.

Annotation:

Besuchte Veranstaltung: Fr 14.12.2018, 20.00 Dresden, Kulturpalast / Festliches Weihnachtskonzert in der Reihe Palastkonzerte 18-19 der Dresdner Musikfestspiele / Dresdner Festspielorchester – Ivor Bolton, Dirigent – Valer Sabadus, Countertenor – Werke von Johann Sebastian Bach, Christoph Willibald Gluck, Georg Friedrich Händel, Antonio Maria Gaspare Sacchini und Antonio Vivaldi; Eingesetzt am Sonntag, 16.12.2018, 19:03 Uhr; Bildquelle: (c) Oliver Killig

Was noch:

Termine in Mitteldeutschland

07.06.2019, 19:30 Uhr Händelfestspiele Halle – FESTKONZERT – Empfindsamkeit – Arien für Carestini & Salimbeni – Valer Sabadus & Akademie für Alte Musik Berlin, Georg Friedrich Händel Halle

14.07.2019, 17:00 Uhr MDR Musiksommer – Salzwedel, Marienkirche – Musiksammlung von Robert Dowland mit Werken von John Dowland, Giulio Caccini, Giovanni Kapsberger u.a. – Valer Sabadus, Countertenor – Axel Wolf, Laute

 

 

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