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Theater Annaberg  –  wer sonst!  –  entreißt Carl Zellers Operette „Der Obersteiger“ dem Vergessen

Theater Annaberg – wer sonst! – entreißt Carl Zellers Operette „Der Obersteiger“ dem Vergessen

Kaum nachvollziehbar ist, dass die Melodienfülle aus Walzer, Couplets und „Schmachthit“ in Carl Zellers bergmännischer Erfolgsoperette „Der Obersteiger“ jahrzehntelang nicht auf unseren Theaterbühnen erklungen ist. Nun ist sie wieder auf einer solchen erlebbar. Dort, wo Bergmänner und Spitzenklöpplerinnen beheimatet sind: Im Eduard-von-Winterstein-Theater zu Annaberg. Dank des dortigen Engagements, der Liebe für und des Könnens im Metier des Genres Operette dürfte sich derartiges Vergessen nicht wiederholen.

Obersteiger_7823_2  Intendant Ingolf Huhn als Regisseur und sein Ausstatter Tilo Staudte sorgen gleich zu Beginn für ein nachhaltiges Aha-Erlebnis. Nach dem Öffnen des Vorhangs wird eine die Bühne in Breite und Höhe voll ausfüllende und sich drehende Bergmanns-Pyramide sichtbar. Sie wird zur Kulisse des dreiaktigen Werkes, verkörpert das Bergstädtchen, die Residenz mit Ballsaal und das Schloss der Comtesse. Ihre erst starren Figuren werden schnell lebendig, es brodelt nur so auf der Bühne. Man spürt förmlich das Hämmern der Bergmänner und den Fleiß der Klöpplerinnen auf ihren Kissen. Dafür sorgen unter der Leitung von Uwe Hanke und Choreographin Sigrun Kressmann Chor, Extrachor, Mitglieder der Freien Chorvereinigung Coruso e.V. sowie das Extraballett. Vielleicht wären dabei im Bewegungsablauf mehr Facetten möglich gewesen, dies schmälert aber keineswegs den Wohlklang der begeisternden Ensembleszenen. Für eine Steigerung des Treibens sorgt im 2. Akt die Bergkapelle in Form des Bergmusikkorps „Frisch Glück“ Annaberg-Buchholz/Frohnau mit ihrem jüngsten Trommler. Da ist der Jubel im Publikum groß, mehr Lokalkolorit geht nicht!

Es wäre hier müßig, die Geschichte vom Obersteiger Martin, seinen Verwirrungen zwischen den Dienstherren und vor allem der Frauenwelt zu entflechten. Ingolf Huhn vertraut Zeller und dessen Librettisten Moritz West und Ludwig Held, setzt durchgängig auf Schwung, den liebevoll-kritischen Witz und spielt mit aktuellen wie lokalen Bezügen. Mehr davon erschließt ein Vorstellungsbesuch, der weitere Freude an der künstlerischen Leistungsfähigkeit des kleinen Ensembles auslöst.

Ohne das nötige Gespür für die Musik Zellers wäre eine Aufführung des Werkes kaum denkbar. Dies bringt als musikalischer Leiter feinfühlig Dieter Klug mit der Erzgebirgischen Philharmonie Aue ein. Da berührt neben schwungvollem Walzerklang, Polkas, Couplets und dem berühmten Schmachthit „Sei nicht bös“ Besinnliches wie z. B. im Zwischenspiel zum 3. Akt mit guten Holzbläsern.

Mit Frank Unger hat Annaberg die Idealbesetzung für den Obersteiger Martin. Mitreißende Spielfreude – ob zum Streik der Bergarbeiter aufrufend oder im Hin- und Hergerissensein zwischen drei Frauen – gepaart mit natürlichem Charme und tenoralem Glanz („Sei nicht bös“) sind seine Trümpfe. Ähnliches kann auch Bettina Grothkopf in die Waagschale werfen. Bei „Als Comtesse hab ich ein Schloss“ bringt sie ihre reiche Erfahrung für diese einer großen Opernarie gleichende Arie ein. Madelaine Vogt in der Partie der Spitzenklöpplerin Nelly preist ihre „Muster wie immer“ ebenfalls mit wohlklingendem Sopran an und gestaltet glaubhaft ihren Kampf um Martin.

Quelle (2): Dirk Rückschloß, bur-Werbung

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Dies wäre eigentlich schon genug des Guten. Doch Annabergs Ensemble hat noch seine Charakterkomiker! Diesen voran Leander de Marel als Bergdirektor Zwack. Er pendelt die Facetten des Deppen, Schlitzohrs oder Charmeurs so nuanciert aus, dass es eine wahre Freude ist, dieses Augenzwinkernde zu erleben. Auch stimmlich überzeugt er bei „Der Bürokrat tut seine Pflicht“ und besonders berührend beim Bergmannscouplet. Bettina Corthy-Hildebrandt als seine Frau Elfriede ist da ebenbürtig in ihrem Werben um den Jüngeren und bei der Rückkehr zum Alten. Der zweite Akt ist zudem ein Kabinettstück. Da werden die Parallelen zu Zellers Meisterwerk „Der Vogelhändler“ besonders deutlich. Michael Junge als Tschida und Matthias Stephan Hildebrandt sind die Prodekane par excellence in all ihrem Witz und Scharfsinn. Bei diesen Routiniers hat es ein Neueinsteiger wie der junge Martin Rieck nicht leicht. Sein Fürst Roderich alias Volontär kommt noch etwas steif daher. Rieck lässt aber besonders im 1. Akt schönes tenorales Material aufblitzen.

Beifall also vom Öffnen des Vorhangs an wegen der Pyramide, über Szenenapplaus bis zur Begeisterung am Schluss der Premiere. Ingolf Huhn könnte also die Inszenierung noch berggerechter und mit dem gesamten Musikkorps auf die Greifensteinbühne umsetzen. Dieter Klug würde auch da die musikalischen Fäden bestens knüpfen.

Frieder Krause

ANNOTATION

„Der Obersteiger“, Operette in 3 Akten von Moritz West und Ludwig Held; Musik von Carl Zeller

Inszenierung       Ingolf Huhn

Musikalische Leitung       Dieter Klug

Ausstattung        Tilo Staudte

Choreographie  Sigrun Kressmann

Chöre    Uwe Hanke

Dramaturgie       Annelen Hasselwander

Fürst Roderich, Majoratsherr       Martin Rieck

Die Comtesse Fichtenau Bettina Grothkopf

Bergdirektor Zwack         Leander de Marel

Elfriede, seine Frau          Bettina Corthy-Hildebrandt

Tschida, Salinenadjunkt  Michael Junge

Dusel, Materialienverwalter        Matthias Stephan Hildebrandt

Martin, Obersteiger        Frank Unger

Nelly, Spitzenklöpplerin  Madelaine Vogt

Mitglieder des Bergmusikkorps „Frisch Glück“ Annaberg-Buchholz/Frohnau e.V.

Chor; Extrachor; Extraballett

Es spielt die Erzgebirgische Philharmonie Aue

 

 

 

 

 

Nächste Vorstellungen

Fr   15.04.2016, 19:30 Uhr

So 01.05.2016, 19:00 Uhr

Sa 07.05.2016, 19:30 Uhr

und in der Spielzeit 2016/2017

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