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Leipzig: Zum Hinhören und Wegsehen

Leipzig: Zum Hinhören und Wegsehen

Lortzings „Undine“ musikalisch geleitet von Christoph Gedschold zur Spielzeiteröffnung.

„Undine“ von Albert Lortzing steht als erste Inszenierung unter der Intendanz von Tobias Wolff auf dem Plan. Dieser Spielzeitauftakt ist zugleich das Debüt von Regisseur Tilmann Köhler am Leipziger Opernhaus. Während die musikalische Umsetzung großen Beifall verdient, sind die Inszenierung, die Kostüme und das Bühnenbild wenig gelungen.

Von Moritz Jähnig

Szene mit Dan Karlström (Veit, oben), Peter Dolinšek (Hans)

Eine monumentale Treppe steht herrisch und raumfüllend auf der Drehbühne. Sie symbolisiert das gesellschaftliche Ganze zwischen oben und unten.  Ähnlich wie zum Beispiel die Treppenlösung in Barrie Koskys Frankfurter „Carmen“, deren Bilder beim Anblick dieser Lösung natürlich ungefragt vor Augen treten. Die Leipziger Treppe hat nicht die diese Gefälligkeit. Sie ist wuchtig und breitstufig.

Das Kühleborn-Motiv in der Ouvertüre beginnt und das Monument beginnt langsam sich zu drehen. Pantomimisch deuten die Darsteller darauf die verschlungene Vorgeschichte der Oper an. Das stiftet während des Vorspiels mehr Unruhe als es Klarheit bringt. Diese Unruhe bleibt während des über dreistündigen Opernabend bestehen, in denen die Treppe posiert und dominiert. Am Schluss crasht sie hart, weil alle gesellschaftlichen Verhältnisse weggefegt sind.

Sonst gibt es bis auf einen blauen Plastikkanister, aus dem der von Lortzing oft und gern besungene Wein fließt, ein paar Phantasieblumen und Konfetti kaum Requisiten, über sich Zeit und Ort für die Handlung ausgemachen ließen.

Unklare Ausstattung

Die dialogischen Singspielpassagen der 1845 in Magdeburg uraufgeführten Oper werden vor der Treppenrückwand abgehandelt. Die sieht wie ein modische Wandpanel aus dem Baumarkt aus. Ersonnen hat die Treppenlösung Bühnenbildner Karoly Risz. Ebenso ratlos bleibt man gegenüber den Kostümen von Susanne Uhl. Sie wirken abgewrackt, irgendwie im Heute zusammengesucht. Wenig vorteilhaft. Eine Regieidee ist aus dem Gesehenen an keiner Stelle erkennbar.  

Wünschenswert wäre das wohl. Denn mit der romantischen Zauberoper „Undine“ zum Spielzeitauftakt und am Beginn einer Intendanz, die einen Lortzing-Zyklus herausstellen will, gibt die Oper Leipzig ein Versprechen ab. Ihr Lortzing-Programm läuft 2024 auf die Inszenierung von „Regina“ hinaus, der zu Lebzeiten des Komponisten nie aufgeführte Revolutionsoper von 1848. „Regina“ hält noch verschiedene dramaturgische und andere musikalische Herausforderungen bereit. Nach dieser „Undine“ muss inszenatorisch mehr kommen. Die Opern des fleißigen Bühnenkomponisten sind aus den Spielplänen der deutschen Bühnen verschwunden. Sie so prominent herauszustellen, wie in Leipzig nun geplant, verlangt den überzeugenden Beleg ihrer Relevanz.

Musikalisch Freude pur

Christoph Gedschold am Pult des Gewandhausorchesters gelingt die große Versöhnung mit dem optisch ärgerlichen Abend. Der Klang des Gewandhausorchesters ist warm und gewinnend. Es umgeht aber auch, in die Abgründe zu schauen, die Lortzing – wenigstens ansatzweise – in den Klängen der Naturgewalten angelegt hat. Mit Genuss folgt man dem von Thomas Eitler-de Lint einstudierten Chor.

Als aus dem ausgeglichenen Sängerensemble herausragend erlebten wir Olena Tokar als Bertalda, eine jugendliche Stimme mit starker, natürlicher Dominanz. Die zweite Frauenpartie Undine sang Olga Jelínková. Sie legt gestisch wie stimmlich das getäuschte und benutzte Naturkind verinnerlicht und lyrisch zurückhaltend an. Joseph Dennis als Ritter Hugo, in den Höhen nicht ohne Anstrengung, verdeutlicht die Zerrissenheit seiner Figur. Sein Ritter ist mehr ein bedauernswertes Würstchen als ein moralisch Schuldiger.   

Mathias Hausmann als Kühleborn ist ein grausam handelnder König mit edler, erdabgehobener Stimme. Eine glänzende Figur. Dan Karlström als Veit und Peter Dolinšek verkörpern als Veit und Hands die beiden Spieltreiber, Sejong Chang und Kathrin Göring das Fischerpaar Marthe und Tobias.

Annotation

„Undine“. Romantische Zauberoper in vier Aufzügen von Albert Lortzing, Libretto vom Komponisten, nach der Erzählung »Undine« von Friedrich de la Motte Fouqué. Oper Leipzig. Musikalische Leitung Christoph Gedschold, Inszenierung Tilmann Köhler, Bühne Karoly Risz, Kostüme Susanne Uhl, Dramaturgie Marlene Hahn, Licht Michael Röger, Choreinstudierung Thomas Eitler-de Lint, Chor der Oper Leipzig, Gewandhausorchester

Besetzung . Bertalda Olena Tokar, Ritter Hugo von Ringstetten Joseph Dennis, Kühleborn Mathias Hausmann, Tobias Sejong Chang, Marthe Kathrin Göring, Undine Olga Jelínková, Veit Dan Karlström, Hans Peter Dolinšek, Pater Heilmann Sebastian Pilgrim.

Premiere 29.10.2022; besuchte Vorstellung 4.11.2022; veröffentlicht 12.11.2022; weitere Vorstellungen 27.11.2022, 10.6.2023

Credits

Text: Moritz Jähnig, freier Theaterkritiker und Herausgeber, Leipzig

Fotos (7): © Kirsten Nijhof

Titelbild oben: Szene mit Olga Jelínková und Matthias Stier: Undine und Hugo

Kontakt

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Szenenbilder

Olena Tokar, Bertalda
Dan Karlström als Knappe Veit

Olga Jelniková in der Titelpartie Undine

Mathias Hausmann (Kühleborn) mit Marie Zsitva (Undine als Kind)

lga Jelínková (Undine) und Matthias Stier (Hugo)
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