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Altenburg: „Ulenspiegel“, Oper von Walter Braunfels
Oper von Walter Braunfels „Ulenspiegel“

Altenburg: „Ulenspiegel“, Oper von Walter Braunfels

Ulenspiegel – Wandlung vom Narren zum Freiheitskämpfer

Eine Opernwiederentdeckung auf einer Theaterbühne mit erleben zu können, hat ihren ganz besonderen Reiz. Zumal ich von den Streichen des Till Eulenspiegel in Kindesjahren schon gehört habe. Mit großer Spannung fieberte der geneigte Zuhörer dem Besuch der Premierenvorstellung am 22.04.2012 entgegen, nichts ahnend welch herrliches Musikvergnügen und ergreifende Inszenierung der Abend bereit halten würde.
Von Ronny Steinkopf

Nachdem die Oper „Ulenspiegel“ unter der musikalischen Leitung von Max von Schillings am 4. November 1913 am Königlichen Hoftheater zu Stuttgart uraufgeführt wurde, bestand in der Spielzeit 2010/11 in Gera erstmals wieder die Gelegenheit dazu, diese Oper live zu erleben. Und nun, eine Spielzeit darauf, haben interessierte Opernbesucher in Altenburg die Möglichkeit zu einem kulturellen Ereignis. Der Enkel des Komponisten Walter Braunfels, Stephan Braunfels (Architekt), hat die bildgewaltige Bühne konzipiert und entworfen, die Matthias Oldag für seine Regiearbeit gekonnt einzusetzen weiß.

Die Einwohner von Gent (in weißen Kostümen und Nacht gewändern) versammeln sich zu nächtlicher Stunde in ihrer Stadt, weil sie wegen des Eintreffens der spanischen Truppen unter Führung des Herzogs Alba schwer in Sorge sind. Das zeitlose Bühnenbild deutet die Gassen und Bauten der Stadt sowie die Stadtmauer an. „Die Spanier sind da“, erschallt der Ruf durch die Straßen der Stadt. Dunkle Wolken ziehen auf und ein großes schwarzes Tuch fällt vom Schnürboden herunter. Angst und Schrecken breiten sich unter der Bevölkerung aus. Vor allem die Handwerker der Stadt befürchten, ihre Freiheiten, Rechte und Privilegien zu verlieren. Wer will schon die ihm zuerkannten Privilegien verlieren? Eine Frage, die im Mittelalter genau so aktuell war wie im 20. oder heute im 21. Jahrhundert. Und wer welche Privilegien genießen darf, war und ist immer auch noch davon abhängig, wer die politische Macht inne hat. Die Genter sind fest gewillt, ihre bisherigen Rechte und Freiheiten zu sichern und zu bewahren, koste es was es wolle. Frei und doch Gefangene der Besatzer? Der Profoß (Olaf Plassa) verkündet einen Erlass des Herzogs Alba, der den unbedingten Gehorsam der Untergebenen einfordert. Dazu gehört auch der Ablasshandel der Kirche. Ketzer dagegen werden aufgehängt. Die Galgenstricke, die für kurze Zeit aus dem Schnürboden nach unten fahren, deuten die Gewaltherrschaft der Spanier an. Da erscheint der Narr Till Ulenspiegel (Keith Boldt), der seine Mitbürger als Duckmäuser und Angsthasen verspottet und ihnen sogar Pfeffer in die Augen streut. Er verachtet auch die Methoden der Ablasspriester und entzieht sich deren Zugriff durch die Flucht Richtung See zu den Geusen. Tills Vater, Klas (Shavleg Armasi), wurde daraufhin gefangen genommen, gefoltert, als Ketzer der Inquisition übergeben und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Die Bühne färbt sich für einen kurzen Moment blutrot. Armasi spielt den Vater und Ketzer eindrucksvoll und singt seine Partie kraftvoll dynamisch.

Als Till vom Schicksal seines Vaters durch Nele (Marie-Luise Dreßen), seine Geliebte, erfährt, schwört er Rache. Beide können die Geusen von der Notwendigkeit überzeugen, gegen die Spanier in den Widerstandskampf zu ziehen. Seine Wandlung vom Narren und Taugenichts zum Freiheits kämpfer beginnt, packend und dramatisch auf der Bühne in Bild und Szene gesetzt. Jost, ein Alter, wahrlich der leib haftige Teufel (Kai Wefer), verbrennt Tills Narrenkappe. Tills Herz ist zunehmend von Hass auf die Unterdrücker erfüllt. Nele meldet, dass ganz Flandern verblutet. Die Bühne wird rot ausgeleuchtet. Die Geusen (Chor) erscheinen bewaffnet und maskiert. Wir würden sie heute als Terroristen bezeich nen. Sie wollen Flandern von den Besatzern befreien. Ketzer, gehüllt in gelben Mönchskostümen, sollen auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden. Mönche intonieren dazu ein lateinisches Requiem. Die Geusen können ihre Volksgenossen befreien. Till und Nele geraten jedoch in Gefangenschaft und werden beide zum Tode verurteilt. Marie-Luise Dreßen und Keith Boldt gestalten die Facetten ihrer großen Partien (Sie: Ziehtochter des Klas, Geliebte, Freiheitskämpferin; Er: Narr, Freiheitskämpfer) über den Abend hinweg fesselnd dramatisch und gesanglich auf sehr hohem Niveau.

Überhaupt wurde dieser Premierenabend zu einer kleinen Sensation am Opernhimmel. Und welch herrliche Musik dem Orchestergraben entsteigt, ein Ohrenschmaus. Die Zwischenaktmusiken lohnen schon allein den Besuch dieser Oper. Das Philharmonische Orchester Altenburg-Gera spielte grandios diese wunderbare Komposition unter dem Dirigat des kommissarischen GMD Jens Troester. Bravo-Rufe und lang anhaltender Beifall für das gesamte Musiktheaterensemble sowie das Regieteam sind der Lohn der großen Bemühungen.

Termine unter: www.tpthueringen.de

Premiere 22.04.2012

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