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Anhaltinisches Theater Dessau:„Götterdämmerung“

Macht Neues!

Unter diesem Gesichtspunkt ist André Bückers, Silvio Wiesners und des Landes Sachsen-Anhalt ambitioniertes Ring-Projekt mit der „Götterdämmerung“ in der Bauhausstadt Dessau würdig eingeleitet worden. Und – über weite Strecken bietet das wiederbelebte Bayreuth des Nordens großes Musiktheater.

Von Frieder Krause

Freilich würde sich der Altmeister angesichts seines Wunsches, den Zyklus in originaler Aufeinanderfolge aufzuführen, die Augen reiben, weil der dritte vor dem Vor- und ersten Abend kommt. Folgt man jedoch der textlichen Entstehungsgeschichte der Tetralogie mit „Siegfrieds Tod“ zu Beginn wird Bückers Ansatz verständlicher, zumal im benachbarten Halle die anderen Teile erlebbar sind. Manch einer, der noch nicht so Ring-geübt ist, kann dort sagen, dies habe ich schon einmal gehört. Und damit ist der Kosmos der 22 Leitmotive gemeint, die in der „Götterdämmerung“ erlebbar werden.

In Dessau in puncto Bühnenbild das Bauhaus in Ausdruck und Geschichte auszublenden, käme einer Sünde gleich. Diese geschieht glücklicherweise nicht. Feininger, Klee, Kadinsky – ihrer wird gedacht. Ebenso dominieren die Grundfarben rot, blau und gelb, die viele Assoziationen zum Handlungsgeschehen aufweisen wie auch Kreis, Dreieck und Viereck. Aber Bauhaus heißt auch Funktionalität und nicht aufgesetzte Effekte. Natürlich sollte man heutzutage aktuell visuelle Sehgewohnheiten nicht ausblenden, aber in dieser Sicht geschieht im ersten Akt einfach zu viel. Da wird dann das Gespräch zwischen Brünnhilde und Waltraute Ende des ersten Aktes zum Ruhepol, sich ganz auf die wundervollen Stimmen der Interpretinnen konzentrierend. Trotz der erwähnten „Überladung“ zu Beginn gelingen Bücker, Ausstatter Jan Steigert und dem gesamten Team (Licht, Ton, Video) ganz nach dem neuen Spielzeitmotto „Wer wir sind?“ bewegende, eindrucksvolle Bilder. Alles an vorhandener Technik und Raum wird genutzt.

Da ist es mehr als berechtigt, wenn sich die guten Geister hinter der Bühne zum Schlussbeifall auf der Bühne verneigen dürfen. Überdenken sollte man die Platzierung der Übertitel, die momentan seitlich rechts abrutschen. Die Kostüme von Suse Tobisch geben dem Betrachter einige Rätsel auf wie auch die von der Inszenierung gewollte ritualisierte Körpersprache. Da kann man den eckigen Stechschritt Siegfrieds als Zeichen des Heldentums sehen oder auch als Marionette. Das Händezittern von Gunther sowie der Mannen und Frauen dürfte für Zerrissenheit und Angst stehen. Szenisch bleiben neben dem bereits geschilderten Ruhepol der Bund der Rache zwischen Brünnhilde, Gunther und Hagen sowie die Erscheinung des neuen Siegfrieds als mögliche Überwindung der gesellschaftlichen Widersprüche, die Wagner real nie lösen konnte, nachhaltig in Erinnerung.

Musikalisch ist durchweg Positives zu berichten. Voran die Anhaltinische Philharmonie unter der Leitung von Antony Hermus. Ausgeglichen in allen Instrumentengruppen wird sie jederzeit der Wagner`schen Partitur in ihrer Stimmungsvielfalt gerecht und vermag außerdem, die Sänger nie zu überdecken. Kongenial der verstärkte Opernchor. Stephan Klemm (Hagen), Ulf Paulsen (Gunther) und Nico Wouterse (Alberich) setzen ihre profunden Stimmen gut charakterisierend ein. Bewundernswert wie Angelina Ruzzafonte (Gutrune) im hohen Sopran eine vorzügliche Textverständlichkeit (wie auch die anderen!) erreicht. KS Iordanka Derilova (Brünnhilde) und Arnold Bezuyen (Siegfried) meistern bei kluger Einteilung ihre Mammutpartien bestens. So wird Bezuyens Waldvogel-Erzählung auch mit gestalterischer Kraft zum ersten Höhepunkt des dritten Aktes, bevor Derilova ihren Schlussgesang zu einem Erlebnis formt, das unter die Haut geht. Da gibt es nur noch eine Steigerung und die heißt Rita Kapfhammer (Waltraute, Flosshilde, 1. Norn). Eine Sängerin, die über herrliches, wandelbares Mezzo-Material verfügt. Da ist es schade, das Waltrautes Erzählung über Wotans Leid für Wagner´sche Verhältnisse so kurz ist.
Verdienter Jubel und standing ovations im bestens besuchten Haus am 30. Juni.

Erste zyklische Aufführung der Tetralogie zum Elbmusikfest 2015

11.05.2012

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