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„eigensinnige inseln. künstler der tessenow garagen“
Ricarda Hoop

„eigensinnige inseln. künstler der tessenow garagen“

Ricarda Hoops zeichnerische Obsession …

In der bildenden Kunst waren Landschaften, vor allem romantische Idyllen, oft inszenierte Weltbilder des Wunschdenkens der Menschen. Es ging um die imaginäre Kraft der Idealisierung der Umwelt und den damit verbundenen äußeren Diskurs. Gleichnishaft wurden die Sehnsüchte in die Landschaften impliziert. Adäquat findet man das, seit dem 15. Jahrhundert, im Sujet des Interieurs und des Stillebens wieder. Anfänglich ergänzte das Interieur das Abbild des Menschen und illustriert die darstellerische Erzählung. Vor allem das sich entwickelnde wohlhabende Bürgertum zeigte gesteigertes Interesse an Allegorien und idealisierten Darstellung des Raums. Nur wenige Künstler setzten das Interieur ins Zentrum ihrer künstlerischen Reflektion und mitunter waren es, wie bei Rudolf von Alts (1815 –1905), eher dem Prestigedenken der Auftraggeber unterworfene künstlerische Ergebnisse. Erst Impressionisten, wie Vincent van Gogh (1853-1890), entdeckten in der Darstellung des Interieurs die Vielfalt an Möglichkeiten des Themas. Im Expressionismus, der experimentellen Fotografie und in den Collagen der Dadaisten fand der private und individuelle Raum, die Wohnung, die Reflexionsfläche des Menschen, seine Dritte Haut sozusagen, die künstlerische Entsprechung und erlangte eine metaphysische Dimension.

Die Mensch-Raum-Beziehung in Ricarda Hoops Zeichnungen ist eine eigenständige künstlerische Auseinandersetzung. In Bildserien wie „Kuckucksblumen aus Schaum“ oder „Personen im Gegenlicht“ wird die Vielschichtigkeit in Ricarda Hoops künstlerischen Diskurs deutlich. Sie geht einerseits auf Details des Interieurs ein und teilweise überschreitet sie die Grenze zum Stilleben. Pflanzen findet der Betrachter in ihren Werken gleichermaßen wie die Darstellung von Tieren meist als dekorative Absurdität wieder. In den Zeichnungen oder Gemälden sind es entweder Abbildungen auf liebenswerten Gegenständen, oder geformt als nützliches Gefäß für florale Arrangements. Mitunter sind es auch Trophäen, als Zeichen des Triumphes des Menschen über die Natur. Beeindruckend ist z.B. die große Bleistiftzeichnung, auf dem ein Tiger im Zentrum des Bildes liegt und dekorativ mit einem Ornament umrahmt wird, wie das Spanferkel auf der Festtafel. Dieser gestaltete Aspekt des Bildes signalisiert diese Besitzergreifung, diese gewollte Kontrolle des Menschen über Alles und seine Freude daran. Der Raum, der uns umgibt nimmt, in der Kunst von Ricarda Hoop einen wesentlichen Platz ein. Sie zeichnet ihn – sie zeichnet ihn malerisch und malt ihn in ihren zeichnerischen Interieurs. Ihr Sujet sind die Räume des Wohnens, des Privaten, des intimen Bereichs des Lebens. Es sind Zeichnungen, sind skizzenhafte Zitate bis hin zum plastisch fassbaren Detail. Sie verzichtet ganz bewusst auf die Gegenwart des Menschen, der Mensch ist nur in der Reflektion des Interieurs, der Gegenstände und deren Anordnung erkennbar. Es ist eine diametrale Darstellung des Menschenbildes und entlarvt, mit der Sprache der Visualität, die Bedeutung des vermeintlich Unsichtbaren. In ihren Allegorien zeichnet Ricarda Hoop greifbare Strukturen des Verlangens, durchdringt das Motiv mit fühlbarer Materialität der Gegenstände. Auf den Zeichnungen sind dichte Gewebe erkennbar – Schraffuren, Flächen und Freiräume füllen das Papier oder die Leinwand zu einer Landschaft des Innenraumes.

Ricarda Hoop wurde im Mecklenburgischem Parchim geboren und Anfang der neunziger Jahre zogen ihre Eltern mit ihr nach Hamburg. Mit Anfang zwanzig bewirbt sie sich für ein Studium für Malerei und Zeichnen an der Hochschule für bildende Künste Hamburg (HfbK). Die Malerei und vor allem das Zeichnen stehen bereits während des Studiums im Zentrum ihrer Arbeit. Als Absolventin zieht es sie nach Leipzig, den Ort, in dem sie, für ihre eigene Aufbruchstimmung, den experimentierfreudigen Wirkungskreis für zahlreiche eigene Projektideen und Ausstellungen findet. Sie bewirbt sich, wie viele AbsolventInnen von Kunsthochschulen, für Stipendien oder Artist in Residenz-Programme. Im Rahmen des Atelierprogramms im Kunstquartier Magdeburg hat sie Erfolg und bezieht im November 2012 ihr Atelier im Magdeburger „Herrenkrug“. Für drei Jahre wird sie nun in Magdeburg und in Leipzig leben und arbeiten. In Leipzig sieht sie augenblicklich ihren Lebensmittelpunkt, ihren Lebensraum mit allen Aspekten, die ihr wichtig sind.

Bereits seit ihrer Kindheit gehört das Zeichnen zu ihrem Leben. „Es gibt keinen Tag an dem ich nicht zeichne,“ sagt sie, „ich will zeichnen!“. Diese Obsession durchdringt die Werke von Ricarda Hoop und macht sie authentisch und eindringlich zugleich.

„In der Zeichnung ist die Kunst immer wieder am Anfang, ganz sie selbst, am weitesten entfernt von der Gefahr der Ausbeutung durch das Kommerzielle, die Bilderflut der Illusionen und der Täuschungen: leicht und flüchtig, zögernd und skrupellos, offen und fragmentarisch, stets auf der Suche, fragend.“ von Uwe M. Schneede

Nachtrag.

Ausstellung im Forum Gestaltung in Magdeburg vom 21. Feb bis 2. Mai 2014

Gezeigt wurden Arbeiten von Marc Haselbach, Sebastian Herzau, Ricarda Hoop, Kunstfiktion (Marco Antonio Gutiérrez Alfaro), Andrea Löhrke, Oliver Scharfbier und Christopher John Smith (England). Weitere Informationen: Forum Gestaltung Magdeburg Kurator: Norbert Eisold. Anlässlich der Ausstellung entstand dieser Text von (c) Petra Kießling.

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