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Leipzig: Rhythmischer Beifall

Leipzig: Rhythmischer Beifall

„Lazarus“ von David Bowie wieder im Spielplan des Schauspiel Leipzigs

Der Siegeszug von David Bowies Musical „Lazarus“ auf deutschen Bühnen ist scheinbar noch lange nicht beendet. Er begann 2018 in Düsseldorf. Im neuen theater Halle hatte das auf den Film „Der Mann, der vom Himmel fiel“ zurückgehende Stück Ende vergangenen November Premiere.

Von Moritz Jähnig

Szene mit Anna Keil und Christopher Nell

Nun wird „Lazarus“ nach langer Pause auch wieder auf der Großen Bühne des Schauspielhauses Leipzig dem Publikum angeboten. Mit größter Sicherheit darf man nach dieser ausverkauften Wiederaufnahme den Künstlern viele gut besuchter Vorstellungen prophezeien.

„Lazarus“ packt seine Zuschauer unwiderruflich

Im genannten Film spielte die schillernde Pop-Ikone selbst die Hauptrolle des einsamen, sein Glück herbeisehnenden Sonderlings Thomas Newton. Das Theatererlebnis ist eindeutig musikalische definiert und spricht wie der Film tiefe emotionale Schichten an. Der schon vom Tode gezeichnete Bowie zeichnete mit dem Thomas Newman einen Menschen, der verloren und gefangen in einer fremden Welt lebt und sich nach einer fernen Heimat sehnt. Irgendwo hoch da droben. Um ihn herum besäuseln sich seine Mitbürger mit kitschigen Narrativen. Darin verschleiern sie, welche übergriffige Gewalt das sogenannte reale Leben bestimmt.

Newton flüchtet in Gin und bunte Phantasien. Mit Hilfe möglicherweise nur für ihn existenten Besuchern bereitet er in seinem Zimmer seinen finalen Abflug vor. Traum und Wirklich fließen unter stroboskopischem Geflacker in ständig wechselnden Perspektiven eines genialen Gerüstbaus von Susanne Müntzner ineinander. Ironisch kommentiert durch Leinwand- und Bildschirm Einblendungen.

So wie es im Leben des trunkenen Newton/Bowie zeitweise keinen Fixpunkt mehr gegeben haben mag, hält auch die Szene nie still. Die Menschen, allesamt irgendwie „Heros“, geben keine Ruhe und sind mehr oder weniger erfolgreich auf dem Weg zu sich selbst. Diese über den 80er Jahren schwebende Atmosphäre vermitteln die Inszenierung von Huber Wild und das gesamte Ensemble vorzüglich. Wer selbst in diesen 80ger Jahren das Ginglas munter zum Munde führte, findet sich in der abgründigen Welt dieser Bilder wieder. Die Jugend identifiziert die unglaublich exotischen Omas in sich selbst.

Strukturiert wird der nicht mal zweistündige Theaterabend von die Songs. Sechs Musiker um Stephan König lassen die Kompositionen mit einer starken Bläserstrecke aufstrahlen und werfen dem Pop einen jazzigen Umhang über. Die sängerischen Leistungen sind individuell und überraschen. Wiewohl Steigerungen möglich sein werden. Der herzliche Beifall des Publikums war auf jeden Fall voll berechtigt und ein Besuch der wenigen kommenden „Lazarus“-Inszenierung am Schauspielhaus Leipzig unbedingt empfohlen.

Befremdend ist bei einem solchen Musical einzig am Schluss die Animation des Publikums zu gemeinschaftlichem, rhythmischem Klatschen. Das sind bewährte provinzielle „Rausschmeißer“, die ein kollektives Einverständnis erzeugen wollen. Bekannt und berüchtigt aus jener Ramba-Zamba-Welt, in der David Bowie so fremd blieb.

Annotation

„Lazarus“ von David Bowie und Enda Walsh nach dem Roman „The Man Who Fell To Earth” von Walter Tevis, Deutsch von Peter Torberg. Schauspiel Leipzig.

Musikalische Leitung: Stephan König, Ekkehard Meister, Regie: Hubert Wild, Bühne: Susanne Münzner, Kostüme: Dagmar Elizabeth Mecca, Video: Heta Multanen, Dramaturgie: Georg Mellert, Choreographie: Salome Schneebeli, Licht: Carsten Rüger. Besetzung: Christopher Nell als Thomas Jerome Newton, Tilo Krügel als Michael, Luise Georgi als Elly, Thomas Braungardt als Zach, Julia Zabolitzki als Japanerin / Maemi, Christine Fischer, Sonja Isemer, Enis Turan, Lisa-Katrina Mayer als Teenage Girls, Anna Keil als Mädchen, später Marley, Dirk Lange als Valentine, Brian Völkner als Ben.

Stephan König / Ekkehard Meister (Klavier, Keyboard 1), Melchior Walther (Keyboard 2), Frank Nowicky / Johannes Moritz (Saxophon), Matthias Büttner (Posaune), Lars Kutschke / Simeon Hudlet (E-Gitarre 1), Georg Spieß (E-Gitarre 2), Jacob Müller (Bassgitarre), Dominique Ehlert (Schlagzeug) als Live-Musiker

Premiere 15.06.2019; Wiederaufnahme und besuchte Vorstellung 28.01.2023; veröffentlicht 29.01.2023

Weitere Aufführungen: Sa, 25.02., Sa, 04.03., Do, 23.03., Sa, 08.04.2023

Wir berichteten über die Premiere 2019: https://www.ktmagazin.de/todesdaemmrige-publikumsverjuengung/

Credits

Fotos: © Rolf Arnold

Text: Moritz Jähnig, freier Theaterkritiker und Herausgeber, Leipzig

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