Home | Theater/Musik | Musik | Regensburg: Sternstunde für Offenbach
Regensburg: Sternstunde für Offenbach

Regensburg: Sternstunde für Offenbach

„Die Reise zum Mond“ mit dem Operetten-Frosch des Bayerischen Rundfunks geehrt

Über 130 Bühnenwerke hat der deutsch-französische Komponist Jaques Offenbach der bewundernden Nachwelt hinterlassen, die auch nach hundert Jahren so gut wie ungebrochen das heitere Repertoire der Bühnen mitprägen. Zu den nicht allzu häufig nachgespielten Operetten gehört „Die Reise zum Mond“, uraufgeführt 1887 in Paris. Jetzt hat das Theater Regensburg sie mit all ihrer Fantastik zum Publikumserfolg geführt.

Von Roland H. Dippel

Ensembleszene „Die Reise zum Mondam Theater Regensburg

Jacques Offenbach und Jules Verne: Eine kongeniale Verbindung
Jacques Offenbach vertonte zwei Sujets des technophilen Romanciers Jules Verne, die sich mit Positionen des kollektiven Glücks befassen. Am Theater Münster war „Doktor Ox“ ein umjubelter Publikumshit. Nun folgte am Theater Regensburg „Die Reise zum Mond“ (La voyage dans la lune), die durch eine überschaubare Aufführungsgeschichte, eine relativ neue Einspielung von Bru Zane und als Vorlage für Paul Linckes Operettenposse „Frau Luna“ bekannt ist. Rechtzeitig zu Weihnachten wurde das Haus, das kurz vor der Ernennung zum nächsten Staatstheater Bayerns steht, erneut mit dem Operetten-Frosch des Bayerischen Rundfunks ausgezeichnet – wie zuvor bereits für Joseph Beers „Der Prinz von Schiras“.

Wirkungsvolle Kostüme von Susanne Hubrich

Zu Recht: Die aufwändige Produktion erwies sich als brillantes Wunderwerk in temporeichen 170 Minuten, das mit Dekorationen von Sam Madwar und einer orgiastischen Kostümschlacht von Susanne Hubrich die Möglichkeiten eines engagierten Theaters weit übertraf. Die Vorstellung am 28. Dezember war restlos ausverkauft, und das Publikum applaudierte Soli, Chor, Ballett und dem brillanten Orchester in den siebten Himmel.

Ein musikalisches Feuerwerk mit galaktischem Charme
Gleich zu Beginn lassen die hohen Flöten aufhorchen, während Kapellmeister Tom Woods mit dem Philharmonischen Orchester Regensburg einen pikanten Offenbachschen Galopp anstimmt. In der deutschen Übersetzung von Stefan Troßbach, die behutsam aktualisiert wurde, entfaltet sich das Vierakter-Revuestück auf der Basis des Originaltexts von Albert Vanloo, Eugène Leterrier und Arnold Mortier.

Szene mit Svitlana Slyvia und dem Herrenchor

Distinguiert eingebettet sind Anspielungen auf Science-Fiction-Klassiker wie „Metropolis“ und Space Operas à la „Krieg der Sterne“. Regisseur Simon Eichenberger zeigt das richtige Maß an Draufgängertum für dieses 1875 am Théâtre de la Gaîté uraufgeführte Werk mit seiner üppigen Musik. Die Handlung bleibt dabei süß wie die irdischen Äpfel, mit denen die terrestrischen Protagonisten das Mondvolk buchstäblich „infizieren“ – nämlich mit dem Gefühl der Liebe. Offenbach verdeutlicht so, dass eine Welt ohne Liebe keine Lösung ist.

Kaufrausch auf dem Mond.

Liebe auf dem Mond: Mitreißende Charaktere und ironische Spitzen
Natürlich fehlt es nicht an den typischen Offenbachschen Spitzen gegen tüdelige Obrigkeiten und eine jubelnde Hofgesellschaft. Sympathische Querköpfe wie der flamboyante Erdenprinz Caprice (ideal: Patrizia Häusermann) und die kaufrauschige Mondprinzessin Fantasia (Sophie Bareis mit brillanten Koloraturketten) tragen die Geschichte. Beide ergründen das wahre Wesen der Liebe und verteidigen ihre Gefühle gegen den gesamten Mondstaat. Im Detail lauert – wie in guter Science Fiction – der Mythos: Die Erdenbürger bringen den Mond durch ihre mitgebrachten Äpfel ähnlich durcheinander wie Eva und Adam den Garten Eden.

Szene mit Jonas Atwood & Marcel Oleniecki

Ein glanzvolles Gesamtkunstwerk zum Jahresausklang
Im zweiten Teil werden die ideologischen Unterschiede der beiden hochentwickelt erscheinenden Zivilisationen wichtiger. Hier ziehen Ballett (Choreographie von Dominique Brooks-Daw) und Chor (unter Leitung von Lucia Birzer) beeindruckend an einem Strang. Herausragende Solisten wie Konstantin Igl als leicht schwuler Wissenschaftler Mikroskop, Giulio Alvise Castelli als König Zack, Jonas Atwood als (Mond-)König Kosmos, Svitlana Slyvia als Königin Popotte, Theodora Varga als Hofdame und Carlos Moreno Pelizari als Baron Binschonda füllen ihre Rollen mit Leben. Die gesamte Besetzung liefert eine Offenbachiade vom Feinsten, die alle Möglichkeiten eines entfesselten und liebevollen Theaters feiert – mit klugem Ausstattungspomp und kaum übertreffbarer Spiellust. Ein besseres Stück für Silvester und Neujahr lässt sich kaum finden.

Annotation

“Die Reise zum Mond“. Fantastische Operette in vier Akten. Musik von Jacques Offenbach, Libretto von Albert Vanloo, Eugène Leterrier und Arnold Mortier, Deutsche Fassung von Stefan Troßbach. Theater Regensburg. Musikalische Leitung: Tom Woods, Regie: Simon Eichenberger, Bühne und Video: Sam Madwar, Kostüme: Susanne Hubrich, Choreografie: Dominique Brooks-Daw, Choreinstudierung: Lucia Birzer, Dramaturgie: Marie Julius, Regieassistenz und Abendspielleitung: Josepha Kersten

Besetzung

König Zack: Giulio Alvise Caselli, Prinz Caprice: Patrizia Häusermann, Mikroskop: Konstantin Igl, König Kosmos: Jonas Atwood, Königin Popotte: Svitlana Slyvia, Prinzessin Fantasia: Sophie Bareis, Kaktus: Marcel Oleniecki, Baron Binschonda | Schmied 1: Carlos Moreno Pelizari, Der Prüfer | Parabase | Richter: Roger Krebs, Flamma, 1. Ehrendame | Cosinus: Henriette Schein, Adja, 2. Ehrendame | Phichipsi: Theodora Varga, Schmied 2 | Wache 1 | Ein Händler | Gerichtsdiener | Dickwanst: Seymur Karimov, Omega | Asphodele: Andrea Dohnicht-Pruditsch, A plus B | Stella: Myriam Chávez de Kühner, Koeffizient | Phoebe: Christiana Wimber, Rektangulum | Nebulosa: Beata Marti, Erdenbürgerin 1: Selena Altar, Erdenbürgerin 2: Svetlana Krutschinin, Der Bürger: Thomas Lackinger, Litella: Elena Lin, Microma: Maria Magdalena Fleck, 1. Spekulant: Christian Schossig, 2. Spekulant: Arpad Vulkan, 3. Spekulant: Mert Öztaner, 4. Spekulant: Roman-Ruslan Soltys. Philharmonisches Orchester Regensburg, Opernchor, Tanzcompany Theater Regensburg

Premiere 22.12.2024; besuchte Vorstellung 28.12.2024; veröffentlicht 21.1.2025

Credits

Text: Roland H. Dippel, freier Theaterkritiker, Leipzig/München

Fotos: © Marie Liebig

Scroll To Top