Home | Ausstellungen | Anhaltend positive Vibes
Anhaltend positive Vibes

Anhaltend positive Vibes

Zwischen Öffnung, Neuerwerbungen und Kontinuitäten – MdbK Leipzig in einer spannenden Saison

Das Museum der Bildenden Künste in Leipzig startet in das Jahr 2023 mit einer geballten Portion positiver Vibes. Das liegt nicht nur an der eindrucksvoll präsentierten Neuerwerbung der großformatigen Fotografie El Ejido von Andreas Gursky innerhalb der Ausstellung Bilderkosmos Leipzig, sondern ebenso am neuen Leitbild und natürlich an den geplanten Ausstellungsvorhaben selber.

Von Barbara Röhner

Während des Pressegespräches

Mit einem Rückblick eröffnete der Museumsdirektor Dr. Stefan Weppelmann das erste Pressegespräch des Jahres, um sogleich auf die Notwendigkeit des Museums einzugehen, sich der Stadt noch stärker als zuvor zu öffnen. Das Teilhabe-Projekt mit der Künstler:innengruppe greater form, das letztes Jahr Grünauer Kindern und Jugendlichen mit raumgreifenden Installationen und Multimediaprojekten im Museum ein Podium eröffnete, wandert nun unter dem Motto Gastgeben zu den Menschen nach Grünau. Eine geplante Ausstellung vor Ort soll dabei sowohl die Arbeit der sozial engagierten Initiativen im Bereich der Kunst und kulturellen Bildung würdigen, als auch den Dialog mit einem Großteil der Bevölkerung ermöglichen, der bislang kaum mit Kunst in Berührung kam.

Akzente auf Projekten der Kunstvermittlung

Aber auch die Kunstvermittlung des Museums unter der Leitung von Carolin Rothmund wird mit diesem wie auch dem Projekt [next;raum] noch sichtbarer. Der ebenfalls 2022 entstandene [next;raum] im 2. Obergeschoss des Museums ermöglicht dieses Jahr unter dem Motto Verlernen | Lernen _ Unlerning | Lerning in zehn Workshops den kritischen Blick auf die Kunstlandschaft und das Museum selbst, wenn Schlagworte wie Klasse, Rassismus und Diskriminierung eine Rolle spielen. Auch hier werden alle Bürgerinnen und Bürger zur Teilnahme aber auch zur konkreten Mitarbeit aufgerufen, um die Museumsarbeit zu bereichern.

Schon allein anhand dieser Projekte wird die Kunstvermittlung in ihrer besonderen gesellschaftlichen Bedeutung als eine Säule der klassischen Museumsarbeit des Sammelns, Forschens, Bewahrens und Ausstellens gestärkt.

2024 Publikation zu Einzelobjekten aus DDR-Kunstbestand geplant

Doch auch alle anderen Bereiche kommen in diesem Jahr nicht zu kurz. So hat das Bangen um die Fortführung der Provenienzforschung mit der Personalstelle von Dr. Ulrike Saß am Bildermuseum seit letztem Jahr ein Ende genommen. Denn die Forschungen nach unrechtmäßigen Besitzverhältnissen von Sammlungsgut betreffen nicht nur jüdisches Eigentum, sondern ebenso Beschlagnahmungen von Kunstwerken in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR. Weitere Forschungsergebnisse sind von fünf Nachwuchswissenschaftler:innen zu 80 Werken aus der DDR-Zeit zu erwarten, welche sowohl online in einer geplanten frei zugänglichen Plattform als auch in einer Publikation zum 20-jährigen Neubaujubiläum im nächsten Jahr veröffentlicht werden.

Nach den erfolgreichen und bis in das Jahr 2023 reichenden Ausstellungen zu Olga Costa, Ludwig Rauch und der Sammlung Bühler-Brockhaus, können sich Besucherinnen und Besucher auf fünf spannende Sonderausstellungen in diesem Jahr freuen.

Den Auftakt der Reihe Im Fokus innerhalb der Sammlungspräsentation Bilderkosmos Leipzig bildet ab dem 22. März Malte Masemann, der Malerei bei Neo Rauch studiert, und seinen Meisterschüler bei Heribert C. Ottersbach absolviert hat. Unter dem Titel Siutable für framing ergänzen seine farbgewaltigen Gemälde in Tradition der Neuen Leipziger Schule die bestehende Ausstellung.

Ausstellung zur DDR-Einwanderungshistorie

Unter dem bewusst propagandistisch klingenden Titel Re-connect. Kunst und Kampf im Bruderland eröffnet am 17. Mai eine dreiteilige Ausstellung, die Sithara Weeratunga kuratiert. Bereits seit September 2019 hat sie durch ein bundesweites Förderprogramm eine Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin für Diversität im MdbK inne. Den Prozess der diversitätsorientierten Öffnung in den Bereichen Programm, Publikum und Personal zu begleiten, gehört zu ihrem Aufgabenbereichen. Nun kuratiert sie als erste Person of Color in der über 150-jährigen Geschichte des Museums diese Kunstausstellung. Hier dreht sich alles um die Einwanderungsgeschichte der DDR und ihren Folgen. Gemälde, Arbeiten auf Papier und Videoinstallationen von acht Künstlerinnen und Künstlern vor allem aus Afrika, dem mittleren Osten und Südamerika mit jeweils zehn Werken bilden den ersten Teil der Präsentation. Darunter die in Leipzig bekannte Künstlerin Mona Ragy Enayat aus Kairo und Michael Thouma aus Haifa. Im zweiten Teil werden junge künstlerische Positionen mit biografischem Bezug zur DDR vertreten sein, welche sich unter migrantischer Perspektive mit der eigenen Familiengeschichte auseinandersetzen.

Der dritte Teil vereint Fotografien des Leipziger Fotografen Mahmoud Dabdoub, der aus dem Libanon 1981 nach Leipzig zum Studium an der HGB gekommen ist, mit (post-)migrantischen Stimmen aus Leipzig, die den tabuisierten Rassismus in der DDR sowie die Lebensverhältnisse von Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter wie zum Beispiel Zwangsabtreibungen thematisieren.

Der Preisträgerin der 28. Jahresausstellung Kerstin Flake ist eine weitere Ausstellung gewidmet, die am 31. Mai unter dem Titel Wellen unhörbarer Melodien eröffnet. Ihre Fotografien setzen alltägliche Dinge in Bewegung, lassen sie tanzen, vibrieren oder schweben. Dadurch vermag Flake das Objekt zum scheinbar handelnden Subjekt mit seiner ganz eigenen Geschichte zu transformieren.

Ehrenplatz für Evelin Richter

Ebenfalls im Zeichen der Fotografie steht ab 15. November die Eröffnung einer großen Retrospektive unter dem schlichten Titel Evelin Richter, welche im Kunstpalast Düsseldorf vor kurzen zu Ende ging. Hier werden Fotografien aber auch selten gezeigte Fotobücher aus ihrer mehr als 50 Jahren umfassenden Schaffenszeit präsentiert. Anders als in Düsseldorf werden im MdbK neben dem Werk Richters aber auch ihr künstlerischer Freundinnenkreis vorgestellt. Dazu gehören die Fotografin Ursula Arnold, die Bildhauerin Christa Sammler, sowie Eva Wagner-Zimmermann, deren Fotografien des Alltags in der DDR und nach ihrem Umzug nach Westdeutschland in den Straßen von Mexiko, Paris und New York erstmals in dieser Ausstellung präsentiert werden.

Mit der Vidoeinstallation The City of broken Windows kommt ab 14. Juni schließlich ein Werk der weltweit beachteten Künstlerin Hito Steyerl nach Leipzig. Die Präsentation auf einem Glas umgebenden Lichthof des Museums stellt zugleich einen inhaltlichen Bezug her, in dem es um unterschiedliche Strategien zur Vermeidung von Glasbruch in leerstehenden aber auch mit Glasfronten neu errichtete Gebäude geht. Zugleich wird durch den Ort des Museums selbst auf die wechselvolle Geschichte des Sachsenplatzes seit dem Luftangriff im Jahre 1943 verwiesen. Glas als Metapher für vermeintliche Sicherheit, distanzierte Betrachtungsweisen wie in einer Laborwelt, aber auch als Symbol für Transparenz, Überwachung und Zerbrechlichkeit kann hier in kongenialer Weise erfahren werden.

Wie die Sonderausstellungen, dürften aber auch einige Veränderungen im Dauerausstellungsbereich Gäste ins Museum locken. So werden gerade kleinere Formate der Mittelaltersammlung sowie der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts so in Szene gesetzt, dass auch die sonst dem Publikum verborgene Rückseite der Werke sichtbar wird.

Ein (Dauer-)Gast aus Wien

Doch am spektakulärsten wird wohl die öffentliche Restaurierung des riesigen, mit aufwendiger Rahmung und Plastik versehenen Gemäldes Das Urteil des Paris von Max Klinger sein. Dieses fast 4 Meter hohe und rund 7,5 Meter lange Werk aus dem Museum Belvedere in Wien kommt bereits zur Buchmesse, deren Gastland Österreich ist, ins Museum und verbleibt dort für zunächst 8 Jahre als Pendant des hier dauerhaft präsentierten Christus im Olymp.

Als sei dies alles noch nicht genug, werfen große Vorhaben des nächsten Jubiläumsjahres ihre Schatten voraus. Genannt soll an dieser Stelle nur ein Name werden, der ohne Zweifel das Potential zu einer wahren Blockbuster-Ausstellung hat: Rembrandt.

Die positiven Vibes dürften im Museum der Bildenden Künste jedenfalls noch lange anhalten.

Öffnungszeiten

www.mdbk.de

Öffnungszeiten:
Dienstag, Donnerstag bis Sonntag: 10 bis 18 Uhr
Mittwoch: 12 bis 20 Uhr

Eintritt:
10 Euro (ermäßigt 5 Euro); Abendticket (eine Stunde vor Schließung) 5 Euro

Creditis

Text: Dr. Barbara Röhner, Kunsthistorikerin und Kuratorin Leipzig

Fotos: Autoren

veröffentlicht: 23.01.2023

Scroll To Top