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Leipzig: „Nein Doch Aber“

Leipzig: „Nein Doch Aber“

Benjamin Springer, Alexander Kavtea, Sebastian Wünsche in der Alten Handelsschule Leipzig.

Von Benjamin Springer, Alexander Kavtea und Sebastian Wünsche ist es bereits die zweite Ausstellung im Ausstellungssaal des Kunstquartiers Alte Handelsschule. Hieß ihre erste Ausstellung vor einem reichlichen Jahr „Auf Teufel komm raus“, scheint es auch in dieser Ausstellung diabolisch zuzugehen, wenn man sich die Worte von Goerge Bataille vergegenwärtigt, um dessen Inhalt die hier gezeigten Arbeiten kreisen:

„Gott ist das Grauen in mir über das, was war, über das, was ist,

und über das, was sein wird, so GRAUENHAFT war, ist und sein

wird, dass ich es um jeden Preis leugnen und mit aller Kraft

schreien sollte, ich leugne, dass es so war, dass es so ist und

dass es so sein wird, aber ich werde lügen.“

Mit dem gedanklichen Bezug zu Georges Bataille haben sich die Künstler einen harten Brocken vorgenommen. Hart insofern, als Bataille, selbst geprägt und gezeichnet von Tod und Leid sein Leben lang literarisch und philosophisch um das unergründlich Grauenhafte im Menschen gerungen hatte.

Dass der Mensch zu unendlich viel Leid fähig ist, hat er schon als Kind eines syphiliskranken Vaters zu spüren bekommen, später im ersten und zweiten Weltkrieg. Doch auch seine Geschichtsstudien vor allem als Bibliothekar verfestigten sein Bild vom Menschen, der von Trieben gesteuert, diese zu verheimlichen sucht. Gesellschaftlich geächtete Verhaltensweisen werden dennoch praktiziert, aus welchen Beweggründen auch immer.

Das Leugnen von eigenen Gewissheiten wird somit zur Überlebensstrategie.

Wenn man sich die Bilder im Ausstellungsraum vergegenwärtigt, ist auf dem ersten Blick vielleicht nicht wirklich Grauenhaftes zu entdecken. Farbintensive, geometrische Strukturen wechseln sich mit pastösen, beinahe lyrisch gestimmten Bildern ab.

Bei näherer Betrachtung können allerdings Figuren ausgemacht werden, die zerrissen erscheinen. Immanente Zentrifugalkräfte mögen in manchen Bildern die Figuren förmlich nach außen sprengen, in anderen Bildern erscheinen Figuren hingegen eher versteckt im Dickicht von Farbschichten oder isoliert im nebulösen Raum. Einsamkeit, Zerrissenheit oder mit den Worten Heideggers „Ein in die Welt Geworfensein“ könnte man hier assoziieren. Undurchdringbare Vegetationen oder Landschaft von extraterrestrischer Anmutung mögen ebenso grauenhaft wirken, doch wird das Grauenhafte in fast allen Bildern durch einen hohen Abstraktionsgrad und reichhaltiges Kolorit gebrochen. Von Tiefgrün, über Violett, Gelb bis Bronze reicht die Farbpalette, mitunter durchzogen von Schwarz-Weiß-Akzenten.

Der Ausstellungstitel „Nein, Doch Aber“ verweist wiederum auf eine Unausgesprochenheit, negativ ausgedrückt ein Rumlamentieren, ein sich nicht festlegen wollen oder eben auch ins Positive gewendet, einen Denkprozess, der nicht zum Stillstand kommt. Zu letzterem mag auch die Beschriftung „Wer Freiheit riskiert, wird beides verlieren“ eines an prominenter Stelle hängenden Bildes von Benjamin Springer anregen. Einem Denken und Abwägen von enormer Bedeutung in der heutigen Zeit.

Was noch?

Die Ausstellung ist bis zum 26. Juni täglich von 14 bis 20 Uhr geöffnet.

Alte Handelsschule  |  Gießerstraße 75  | 04229 Leipzig  |  2. OG, Hofeingang

Credits:

Text: Barbara Röhner

Foto (c): Autorin

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